Der Weiterbildungsverbund Media Collective setzt sich bundesweit für neue Qualifizierungsangebote in der Bewegtbildbranche ein
Sie fehlen – von allen Seiten, die Fachkräfte. Und ihr viel beschworener Mangel ist auch in der Bewegtbildbranche längst angekommen. Nicht nur der demografische Wandel hinterlässt Lücken. Die Streamingproduktionen, die seit fünf-sechs Jahren stark am Markt sind, haben ein hohes Produktionsvolumen ausgelöst und binden Fachkräfte länger als TV- oder Kinoproduktionen. Hinzu kommen die Abwanderungen in andere Branchen. Weniger Bewerbungen auf freie Stellen, fehlender Nachwuchs in Positionen wie Filmgeschäftsführung, Herstellungsleitung, Regieassistenz oder Produktionsleitung haben bereits jetzt Auswirkungen. Das zeigt eine im Oktober veröffentlichte bundesweite Studie von „Media Collective – Der Weiterbildungsverbund Medien“. Der Verbund – angesiedelt im Erich Pommer Institut (EPI) und gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) – arbeitet daran, die Branchen-Akteur:innen zu vernetzen und Weiterbildungen bedarfsorientierter zu entwickeln.
Erhöhter Arbeitsdruck und Qualitätseinbußen
Denn die Besetzungsschwierigkeiten betreffen nahezu alle Positionen der Bewegtbildproduktion. In der Studie gaben 88 % der befragten Unternehmen einen erhöhten Arbeitsdruck aufgrund fehlenden Personals an. Unter den Filmschaffenden selbst beklagten sich 77 % neben Arbeitsdruck außerdem über die psychischen Belastungen. Und fast jedes zweite Unternehmen vermeldet steigende Produktionskosten und Einbußen von Qualitätsstandards verursacht durch zu wenig Personal.
Mit Media Collective hat sich ein Weiterbildungsverbund aus dem EPI heraus gegründet, nachdem das Thema dort schon einige Jahre von Branchenbeteiligten diskutiert wurde. Man rief einen runden Tisch der größten deutschen Filmproduktionsfirmen zusammen, um Fragen wie „Was wird gebraucht?“ und „Was können wir tun?“ zu diskutieren. Die daraus entstandenen Ideen und Konzepte werden nun innerhalb von Arbeitsgruppen des Verbundes weiterentwickelt, für den das EPI mit einer bundesweiten Förderung mittlerweile Projektträger ist.
Geschäftsführer Philipp Künstle ist dabei wichtig, dass Media Collective als übergreifendes, gemeinnütziges Projekt, unabhängig von den anderen Einheiten des EPI-Geschäftsbereichs gesehen wird. „Wir arbeiten bundeslandübergreifend und sind im ständigen Austausch mit Unternehmen und Institutionen, um herauszufinden, wo die Bedarfe sind, die es nun zu besetzen gilt und wie wir das fördern können.“
Neue Karrierepfade durch gezielte Qualifizierungsangebote
Als wichtigen Hebel in der Weiterbildung nennt Künstle das Konzept der dualen Weiterbildung, meist konzipiert als kompakte, intensive Kurse. Sie befähigen Filmschaffende, in ihrer Karriere die nächsten Schritte zu tun. Die große Herausforderung besteht darin, Positionen, die oft zehn Jahre Berufserfahrung erfordern, schneller zu qualifizieren. Weiterbildung kann da ein Lösungsweg sein. Man schaffe außerdem niedrigere Einstiegshürden und bereite Interessierte aus anderen Branchen für einen Wechsel vor.
Denise Grduszak betreut als Projektmanagerin den Weiterbildungsverbund und erläutert die nächsten Schritte. So wurden Arbeitsgemeinschaften mit unterschiedlicher Ausrichtung gebildet. Eine Gruppe mit Schwerpunkt politischer Kommunikation fördert die Sichtbarkeit des Themas in der Politik und kümmert sich um finanzielle Förderungen, ein anderer Arbeitskreis beschäftigt sich konkret mit der Weiterbildung in der Region und fragt die Fachkräftebedarfe einzelner Unternehmen ab, um im nächsten Schritt Qualifizierungskonzepte zu entwickeln, die gezielt beim ermittelten Bedarf ansetzen. „Hier geht es darum, die Region und die Unternehmen als Gemeinschaft zu begreifen und das Miteinander ins Zentrum zu stellen und zu koordinieren.“, so Grduszak.
Eine Arbeitsgemeinschaft befasst sich zudem mit den Berufsbildern der Branche. Denn bisher fehlen einheitliche Standards. Hochschulen bilden nach unterschiedlichen Schwerpunkten aus, daneben gibt es diverse Ausbildungsberufe sowie „Training-on-the-Job“. Was muss eine Person können – welche Social Skills und welches Know-how mitbringen? Im besten Fall entsteht durch die Arbeit des Verbundes ein vorformulierter Katalog von Kompetenzen, die für die Berufsbilder benötigt werden und auf den sich die Branche idealerweise bundesweit einigen kann – eine Checkliste als Grundlage für eine einheitlichere Qualifizierung.
Kompetenzen für die Zukunft
„Momentan entsteht viel Neues mit AR, VR, Digital Production. Arbeitsprozesse verlagern sich von der Post-Production in die Pre-Production. Bestimmte Skills werden jetzt viel früher am Set benötigt, andere Skills haben wir bisher eher in der Games-Branche verortet – deshalb denken wir in Kompetenzen.“, so Künstle.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, ist es für den Verbund wichtig, auf Bundesebene zu agieren und niedrige Einstiegshürden für Quereinsteiger:innen zu schaffen. Denn das Interesse an der Bewegtbildbranche sei da, das sehe man zum Beispiel an Pilotprojekten in Hamburg oder Hessen, so Grduszak. In Hamburg bietet das Trainee-Programm „Get on Set“ zusammen mit Partnerunternehmen Qualifizierungen für verschiedene Filmgewerke, von der Filmgeschäftsführung über die Aufnahmeleitung bis hin zu Regieassistenz, Ton, Requisite, Maske, Kostüm oder Postproduktion an. In Hessen ist mit „Hessen Steps“ ein Programm entstanden, das mittels Bildungsgutscheinen die Weiterbildungskosten für Quereinsteiger:innen trägt, Traineestellen bei Unternehmen finanziell fördert und Nachwuchs-Filmautor:innen bei der Entwicklung neuer Stoffe unterstützt.
Als Teil des MediaTech Hubs sind das EPI und Media Collective direkte Nachbarn zum Hub-Management. Von Babelsberg aus ist man gerade einerseits dabei, den Verbund bundesweit auszurichten. Andererseits konzentriert man sich auf Programme, die in der Region verortet sind. Momentan möchte Media Collective Bewegtbild-Unternehmen in Berlin und Brandenburg für Traineestellen gewinnen, die Trainings on the Job und Onboarding-Programme für Quer- und Wiedereinsteiger in enger Zusammenarbeit mit dem Verbund anbieten.
Bereits am Netzwerk von Media Collective beteiligt sind namhafte Unternehmen und Institutionen wie Bundesverband Produktion, die Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, die Investitionsbank des Landes Brandenburg, media:net berlinbrandenburg, das Medienboard Berlin-Brandenburg, Netflix, die PAIQ Produzentenallianz Initiative für Qualifikation, REAL FILM, der Rundfunk Berlin-Brandenburg, das Studio Babelsberg, die UFA GmbH, we are era sowie die Wirtschaftsförderung Brandenburg.
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