Das Digitalwerk in Werder unterstützt kleine und mittelständische Betriebe bei der Digitalisierung
Lässt sich der Umgang mit einem Schweißgerät digital trainieren? Könnte man Ersatzteile oder Prototypen in kleinen Stückzahlen selbst produzieren? Und kann eine digitale Terminbuchungssoftware Mitarbeiter:innen entlasten, die zum Beispiel in Friseursalons Anrufe annehmen und Terminanfragen koordinieren? Das Digitalwerk in Werder zeigt unter anderem Handwerksbetrieben und Vertreter:innen des Klein- und Mittelstands, welche digitalen Technologien ihnen in Zukunft zur Verfügung stehen.An mehreren Erlebnisstationen vor Ort können digitale Anwendungen wie „Schweißen lernen mit Virtual Reality“, 3D-Druck, eine Personalplanungssoftware oder digitale Kassensysteme kostenlos ausprobiert werden. Das Projekt wurde – unterstützt durch Fördermittel der Europäischen Union und des Landes Brandenburg – 2019 mit einem Fokus auf Handwerksbetriebe gestartet und nimmt mit einer Verlängerung des Förderzeitraums auch stärker Branchen wie Kultur, Tourismus oder den stationären Handel in den Blick.
Die Erlebnisstationen sind der Kern des Angebots des Digitalwerks. Darüber hinaus finden Events, Workshops und Fortbildungen statt, deren Gegenstand die sinnvolle und effiziente Integration digitaler Prozesse in den Arbeitsalltag ist. Das können komplexere Lösungen mit Hardware sein, wie sie ein 3D-Drucker erfordert, aber auch eine digitalisierte Personalplanung, die es dem Handwerksbetrieb ermöglicht, effizient die Aufträge zu koordinieren.
„Wir bieten Einstiegsformate an. Nicht jeder hat jeden Tag ein Smartphone in der Hand oder kennt die VR-Brille. Wir müssen auch einem Malermeister, der seit 30 Jahren den Betrieb führt, zeigen, was digitale Lösungen für ihn sein könnten.“ erklärt Alexander Skambath, der die Handwerksthemen koordiniert und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit steuert. „Online sind wir für alle erreichbar, das heißt, unser Angebot deckt ganz Brandenburg ab.“
Lernprozesse mittels Augmented Reality steigern
Im Bereich Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) wird zwar an Hochschulen und in der Wissenschaft viel geforscht, in Betrieben dagegen wurden bisher kaum valide Daten erhoben, die zeigen können, ob und wie sinnvoll ein Einsatz ist. Hier scheint es eine Forschungslücke zu geben. Unabhängig vom Digitalwerk hat Jan Wagener, der dort inzwischen als Projektmanager für Entwicklung und Programmierung zuständig ist, dies im Rahmen seines Informatik-Studiums untersucht und die Ergebnisse in seiner Masterarbeit „Entwicklung und Evaluation einer Augmented Reality (AR) Applikation zur Unterstützung von Lernprozessen im betrieblichen Umfeld“ festgehalten.
Zwar gebe es in großen Industrien bereits den Einsatz von AR und VR – und sogar auf der Raumstation ISS wird mittels HoloLenses Fernwartung betrieben – aber die Einsatzmöglichkeiten in kleinen und mittelständischen Unternehmen wurden bisher kaum wissenschaftlich untersucht, so Jan Wagener. Dabei seien viele konkrete Anwendungsbeispiele denkbar. In Betrieben oder auch im Außendienst sind regelmäßig komplexe Maschinen aufzubauen oder zu warten. Ein Kaffeemaschinenhersteller, dessen Techniker:innen zur Wartung unterschiedliche Maschinen betreuen, kann zum Beispiel die Mitarbeiter:innen mit einer AR-Anleitung unterstützen und schulen, indem sie via AR-Brille der Reparaturanleitung folgen. Wer dann vor Ort nicht mehr weiterkommt, kann Hilfe per Remote Videoschaltung anfordern.
Bedienungsanleitung auf Papier versus Augmented Reality-App
Helfen Augmented Reality und Virtual Reality in Zukunft also tatsächlich um betriebliche Lernprozesse zu stärken und Mitarbeiter:innen anzuleiten? Lassen sich Betriebsabläufe einüben und Kernprozesse steigern? Um dafür eine wissenschaftliche Basis zu schaffen, ließ Wagener für die praktische Untersuchung 14 Proband:innen eine automatische Schankanlage konstruieren. Die Schankanlage bestand aus Bauteilen, die komplex, aber nicht zu komplex waren. Mittels Elektronik wurde die Befüllung des Glases gesteuert. Ein Glassensor maß, wann das Glas voll war. Dabei mussten laut Anleitung verschiedene Kabel oder etwa ein Gegenstand A mit einem Gegenstand F verbunden werden. Für die unerfahrenen und ungelernten Proband:innen war der Zusammenbau eine Herausforderung. Unter ihnen befanden sich Praktikant:innen, Studierende, Büroangestellte und Projektmanager:innen zwischen 35 bis 56 Jahren, mit unterschiedlichen Bildungsabschlüssen – alle mit wenig Erfahrung in AR. Die Teilnehmer:innen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Hälfte folgte dabei Schritt für Schritt einer klassischen Papieranleitung, die andere Hälfte ließ sich mit Augmented Reality anleiten. Ihnen wurde die Anleitung mit Text und Pfeilen in ihrer AR-Brille (Microsoft HoloLens 2) eingeblendet. Als Software nutzte Wagener Microsoft Dynamics 365.
Die Evaluation zeigte: Das Ergebnis fällt zugunsten eines Einsatzes von AR aus. Die entwickelten Konzepte wurden bei der AR-Anleitung besser bewertet und auch die Proband:innen gaben an, deutlich mehr gelernt zu haben. In der Testumgebung wurde klar eine Leistungsverbesserung dargestellt. Für die Unterstützung von betrieblichen Prozessen und in der betrieblichen Ausbildung könnte AR sich somit als hilfreich erweisen. Mit neuen AR/VR-Brillen und Software, die zeitnah auf den Markt kommt, kann der Klein- und Mittelstand die vielen Möglichkeiten, die AR ihm bietet, noch besser kennenlernen.
In der Zwischenzeit können Sie im Digitalwerk neue Erlebnisstationen testen, Workshops besuchen oder direkt am Tag der offenen Tür am 13. Januar das gesamte Angebot in lockerer Atmosphäre erkunden:
https://digital-werk.org/neue-workshops-im-januar/
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