Der richtige Soundtrack für den Sport
Häufiger Joggen, ins Fitnessstudio gehen oder generell einfach mal wieder mehr Sport treiben, zählt zu den beliebtesten Neujahrsvorsätzen. In einer von der DAK-Gesundheit veröffentlichten repräsentativen Forsa-Umfrage gaben 61 Prozent der Befragten an, dass sie sich für 2025 vorgenommen hätten, sich mehr bewegen und Sport treiben zu wollen – Nach “Stress vermeiden oder abbauen” (68 Prozent) und “Mehr Zeit für Familie/Freundeskreis” (64 Prozent) landete der Wunsch nach mehr Bewegung damit direkt auf dem dritten Platz. Zahlen dazu, wie viele der Befragten ihren Vorsatz in die Tat umgesetzt beziehungsweise auch über den Januar hinweg erfolgreich verfolgt haben, gibt es allerdings nicht.
Was jedoch helfen kann, die Freude am Sport zu steigern oder sogar zu mehr Leistung zu motivieren, ist Musik. Die Wahl der geeigneten Musik ist aber sehr individuell und einerseits vom persönlichen Musikgeschmack, andererseits aber auch vom Tempo der Musik selbst abhängig, denn: Das geeignete Tempo der Musik (Angabe in “Beats per minute”, kurz “BPM”) kann von der Intensität des eigenen Trainings abhängen. Beim Joggen etwa eignen sich Lieder mit 120 BPM bis 140 BPM – die Wahl der optimalen Musik hängt dabei unter anderem von der eigenen Pace ab, also der benötigten Zeit pro gelaufenen Kilometer.
Darüber hinaus gibt es wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass die Wahl der bevorzugten Musik durchaus einen positiven Effekt auf die Kraft und die Ausdauer haben kann, während wiederum die wahrgenommene Anstrengung der durchgeführten Übungen gleichzeitig als niedriger eingeschätzt wird.
Die ‘JYMMiNisierung’ des Trainings
Das Start-up JYMMiN macht sich die positive Wirkung von Musik zunutze, wählt dabei jedoch einen anderen Ansatz: Bei JYMMiN kommt Technologie zum Einsatz, die dafür sorgt, dass sich die Musik an die Bewegungen und die Intensität des Trainings anpasst. Wie das funktioniert? Durch Tracking. So wird die Bewegung ebenso erfasst wie die “Veränderungen der Körperphysiologie während der körperlichen Aktivität”, wie Prof. Dr. Tom Fritz, Gründer von JYMMiN, den Vorgang beschreibt.
“Bei den ersten Prototypen hatten wir noch eine mechanische Übersetzung auf Steuerregler für MIDI-Signale gebaut. Also quasi so ähnlich, als würde man eine große Bewegung am Lastzug-Turm so umsetzen, dass sie einen Regler an einem Keyboard bewegt”, erklärt er. Durch eine Schnittstelle waren die Prototypen also in der Lage, mechanische Bewegung in Musiksignale umzuwandeln.
Und wie funktioniert das Tracking heute? Heute kommen neben einer Vielzahl an Sensoren auch Videosignale zum Einsatz. Prof. Dr. Tom Fritz beschreibt dies wie folgt: “Wir haben die Schnittstelle zu den Sensoren und die Software so entwickelt, dass eine Nachrüstung bereits existierender Sensorsysteme, also auch von solchen, die schon in den Fitnessgeräten verbaut sind, sowohl für die Gerätehersteller, aber auch für die User, möglichst optimiert wird. Von Wearables bis EEG (kurz für “Elektroenzephalografie”, eine Methode zur Messung und Aufzeichnung der Gehirnaktivitäten, Anm. d. Red.), mit dem wir bei Patienten die mentale Anstrengung erfassen und jymminisieren”, kommen hier also inzwischen mehrere Sensoren zum Einsatz. Die Jymminisierung, wie Prof. Dr. Tom Fritz es bezeichnet, lohne sich vor allen Dingen dann, “wenn die Tätigkeit als besonders anstrengend empfunden wird oder repetitiv ist“.
Diese Form des Trackings kann also letztendlich durch Art und Intensität des Trainings Musik individuell beeinflusst werden. Um beim Beispiel des Joggens zu bleiben: Je nachdem, wie schnell eine Person auf dem Laufband läuft, passt sich die Musik automatisch daran an, wird aufgeregter oder entspannter.
Kooperation mit Universal Music
Damit das funktioniert und die Musik sich an das individuelle Trainingsverhalten anpassen kann, nutzt das Unternehmen ein patentiertes Verfahren, Musik mittels gemessener körperlicher Aktivität interaktiv in Echtzeit gezielt zu remixen.
Für die Auswahl der Musik greift das Team auf eigens komponierte Stücke zurück. Darüber hinaus hat JYMMiN eine Kooperation mit dem Musiklabel Universal Music geschlossen. Dadurch habe man “Zugriff auf einen Katalog von Musik mit Multitrack-Arrangements, was es uns besonders einfach erlaubt, die Musik in unser interaktives Musikformat zu integrieren”, wie Prof. Dr. Tom Fritz beschreibt.
Von der Forschungsfrage zur Geschäftsidee
Auf die Idee zu JYMMiN ist Prof. Dr. Tom Fritz im Rahmen einer Forschungsreise gekommen. 2005 reiste er im Rahmen seiner Doktorarbeit nach Kamerun zu den Mafa. Sein Forschungsinteresse bestand darin, herauszufinden, wie Menschen, die noch nie mit westlicher Musik in Berührung gekommen sind, darauf reagieren würden. Schnell faszinierten ihn die Rituale, in denen die Mafa gemeinsam musizieren. Als Instrument kommt hier eine Art aus Eisen geschmiedete Flöte zum Einsatz. Damit Töne zu erzeugen, kann zwar sehr anstrengend sein, dennoch können solche Rituale mehrere Stunden dauern.
Die dabei durch die Teilnehmenden systematisch herbeigeführte Euphorie wollte Prof. Dr. Tom Fritz nutzen, um sie im Bereich der Fitness und Reha nachzuempfinden. So reifte dieser Gedanke über die Jahre zu einer handfesten Geschäftsidee und im Mai 2019 wurde die JYMMiN GmbH in Leipzig gegründet. Die Mission sei es, “die Wirkung von Musik in Rehabilitation und Fitness zu optimieren”.
Zudem wird auch an der Wirksamkeit von JYMMiN geforscht. In einigen Studien, bei denen der Unternehmensgründer als Autor mit aufgeführt ist, wurden die Effekte untersucht, die ein Training mit der Technologie von JYMMiN auf die Proband:innen haben können. Für eine Studie haben beispielsweise Patient:innen mit chronischen Schmerzen mit JYMMiN trainiert. Das Ergebnis: Durch die Technologie bestehe das Potenzial, sowohl das Level an Angst vor Schmerzen als auch den Schmerz selbst zu senken und die Motivation zur Bewegung zu fördern.
Innovation in Bewegung
Die Technologie von JYMMiN stoße auf eine breite Akzeptanz, so Prof. Dr. Tom Fritz, und zwar “sowohl von der Fitness Community, als auch von Seiten Betroffener oder Angehöriger von Betroffenen, die sich für die Optimierung der Wirkung von Musik in der Rehabilitation interessieren“. Inzwischen kam die Technologie bereits bei über Tausend Patient:innen zum Einsatz – auch bei der Rehabilitation von Patient:innen nach einem Schlaganfall, wie zum Beispiel beim NRZ Neurologischen Rehabilitationszentrum Bennewitz nahe Leipzig. “Fast in allen Therapien, auch in der Schlaganfallrehabilitation, spielt Fitnesstraining eine herausragende Rolle, auch weil hier die Hirnplastizität angeregt wird”, erklärt er dazu.
Im Mai 2024 hat das Team an der ersten Kohorte des Investment Readiness Programs des MediaTech Hub Accelerators teilgenommen. Hier habe man von dem gezielten Training im Bereich Fundraising profitieren können. Durch eine Teilnahme am Programm des MTH Accelerators ist JYMMiN zudem Teil der Digital Hub Initiative, ein weiterer Benefit, denn dadurch hatte das junge Unternehmen die Möglichkeit, an relevanten Veranstaltungen teilzunehmen und sich potenziellen Kund:innen sowie nationalen und internationalen Investor:innen präsentieren zu können.
Für 2025 ist unter anderem ein Roadtrip in die USA geplant. Hier will JYMMiN ein neues Produkt vorstellen: den robotisierten Stuhl “Pedro”. Dieser soll Patient:innen, die lange bettlägrig waren, bei der Aufrichtung unterstützen – natürlich unter dem Einsatz von musikalischem Feedback. Die Reise in die USA will das Team gemeinsam mit Gerätepartner Reha & Medi Hoffmann GmbH angehen. Neben einer Road-Show in den USA ist außerdem eine Teilnahme an der Expo 2025 in Osaka in Japan geplant, wo sich JYMMiN auf dem Deutschen Pavillon vorstellen wird.