Wandel, Kreativität und KI
„Es gibt eine Zeit, in der Veränderung die einzige Konstante war, und jetzt ist Veränderung konstant. Wenn man das nicht akzeptiert, wird man nicht in die Zukunft kommen, in die diese Branche […] muss.“ Evan Shapiro, Experte und Kartograph der internationalen Medienlandschaft, eröffnete mit seiner Keynote die MediaTech Hub Conference 2024 und setzte den Ton für die kommenden zwei Tage – die Zukunft der Medienbranche liegt in den Händen der Nutzer:innen und die Veränderung ist unsere einzige Konstante.
Längst hat sich die MTH Conference als wegweisende Plattform für die Zukunft der Medienbranche etabliert und bot unter dem Motto Future MediaTech Trends – Where Creativity and Technology Intertwine mit über 50 nationalen und internationalen Speakern viele Diskussionen und innovative Ansätze für die Umbrüche in der Medienbrache. Im Mittelpunkt auch in diesem Jahr: KI in der Medien- und Filmproduktion, die Entwicklung des Streamingangebots hin zu nutzerzentrierter Ausrichtung, der globale Wettbewerb um Zuschauerbindung sowie die Reformen der Filmförderung.
Globale Branchen-Updates
Auf der Expert Stage der MTHCON24 drehte sich alles um die wichtigsten Trends, Technologien und Innovationen, die die Filmindustrie bewegen. Die Pandemie, Autor:innenstreiks, Abwanderung von Abonnent:innen, der Aufstieg von KI und sich wandelnde Geschäftsmodelle, die die Branche umformen – die vergangenen Jahre waren für die Medienindustrie außergewöhnlich herausfordernd.
Dass die globale Medienindustrie im Wandel ist, daran besteht kein Zweifel. Aber wo stehen wir gerade?Und wie können uns neue Technologien nach herausfordernden Jahren voranbringen? Führende Köpfe globaler Filmstudios, Branchenverbände, Sender und Streaming-Plattformen sowie wegweisende europäische Produktionsfirmen und die wichtigsten Tech-Unternehmen gaben das globale Branchen-Update in Sachen MediaTech: Von UFA, Leonine Studios, Movielabs und SMPTE bis hin zu Amazon, ITV, Joyn, ZDF, Arte, ORF und TikTok.
Unter dem Titel Global Industry Update gaben Branchenriesen wie Sascha Schwingel, CEO der UFA, Andy Weltman, CEO der Studio Babelsberg AG, und Renard T. Jenkins, Präsident von SMPTE, ihre Einschätzungen zur Zukunft der Medienbranche. Schwingel sprach über die Chancen und Herausforderungen der Transformation: „Wir versuchen, unsere Möglichkeiten zu finden und umzusetzen, was nicht einfach ist, aber es ist eine sehr, sehr, sehr spannende Zeit.“Jenkins unterstrich die Bedeutung des Menschen in einer von Künstlicher Intelligenz (KI) geprägten Welt: „KI produziert Durchschnitt. Wir müssen die Modelle füttern, aber der Mensch muss immer Teil des Prozesses bleiben.“Weltman ergänzte diese Sicht mit einem klaren Appell, das Talent in Deutschland zu fördern: „Bring the talent back!“, und forderte dringend Reformen bei den Filmförderungen, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten.
Gastland Österreich mit Filmförderung als Vorreiter
Wie eine gezielte Filmförderung die Branche stärken kann, zeigte Gastland Österreich mit seinem Erfolgsmodell FISAplus. Die österreichische Filmförderung bietet eine Basisförderung, die einen nicht-rückzahlbaren Zuschuss von 30 Prozent der Produktionskosten für jedes in Österreich realisierte Projekt umfasst. Zusätzlich wird ein Grüner Bonus von 5 Prozent gewährt, wenn klimafreundliche Kriterien erfüllt werden, um Österreich als internationalen Vorreiter für nachhaltige Filmproduktionen zu positionieren. Außerdem gibt es einen Bonus von 25.000 Euro für Projekte mit einer hohen Beteiligung von Frauen.
Sylvia Vana, FISAplus-Leiterin vom Österreichischen Wirtschaftsministerium, betonte die Bedeutung eines solchen Systems und äußerte den Wunsch, gemeinsam mit Deutschland ein funktionierendes Fördersystem aufzubauen.
Künstliche Intelligenz in der Filmproduktion
Als thematischen Schwerpunkt beleuchtete die Konferenz den Einfluss von KI in der Filmproduktion. In der Session Producing in an Ever-Evolving, AI-Driven Media Industry diskutierten Max Wiedemann, CEO von Wiedemann & Berg Film, und Pirita Pyykkönen-Klauck, CEO von ZDF Sparks, die transformative und disruptive Kraft von KI. Wiedemann sagte: „Ich würde zwei wesentliche Effekte von KI unterscheiden: den transformierenden Effekt, der die Geschwindigkeit, Qualität und Kreativität der traditionellen Filmproduktion verbessert, und den disruptiven Effekt, der die audiovisuelle Produktion völlig neu erfindet.“ Pyykkönen-Klauck hob hervor, dass der Erfolg nur in enger Zusammenarbeit zwischen Technologie und Kreativen zu finden sei: „Es ist nicht eine Frage von Entweder-oder zwischen den Technologien und den Kreativen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer engen Zusammenarbeit.”
Beide waren sich einig, dass zur vollen Ausschöpfung des Potenzials von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Produktion einige wesentliche Faktoren berücksichtigt werden müssen. Zunächst sei wichtig, einen klaren Zweck zu definieren, der beschreibe, wie und warum KI eingesetzt wird. Darüber hinaus spiele Bildung eine zentrale Rolle, da menschliche Expertise entscheidend sei, um die Fähigkeiten der KI optimal zu entfalten. Eine solide Datenstrategie ist ebenfalls unerlässlich, denn ohne sie könne KI nicht effektiv arbeiten. Letztendlich sei die Nachfrage des Publikums ein entscheidender Aspekt, denn ohne ein Publikum sei all das, was durch KI ermöglicht wird, bedeutungslos.
Aber so sehr Technologie den Arbeitsalltag bereits bestimmen mag, so wenig sollten die ethischen und rechtlichen Herausforderungen von KI im Mediensektor außer Acht gelassen werden. Wie etwa kann die Branche den Anforderungen zum Schutz des geistigen Eigentums gerecht werden, Schauspieler:innen vor der illegalen Ersetzung durch KI schützen und eine nachhaltige Infrastruktur entwickeln?
KI-Ethikexperte Ali Shah ging in seiner Keynote auf solche Notwendigkeiten ein. Er betonte, dass „eine Technologie, die von Menschen entwickelt wurde, zwangsläufig die Komplexität der menschlichen Werte übernimmt, wie unser kreatives Potenzial, aber auch unsere moralische Fehlbarkeit“, und forderte einen strukturierten Ansatz für ethische KI-Entwicklung. Richtlinien seien dabei entscheidend: „Regeln und Richtlinien beim Umgang mit KI bremsen uns nicht aus, sie geben uns die Werkzeuge, schneller und sicherer zu handeln”, so Shah.
Innovative Konzepte für Zuschauererlebnisse
Wie sich zukünftige Zuschauererlebnisse rund um das Thema Streaming neu definieren lassen, stellten führende Branchenvertreter:innen vor. Christina Lee Storm, CEO von ASHER XR, präsentierte ihr Konzept des „Entertainment Umbrella“, das dazu anregt, Unterhaltung inklusiver zu betrachten und traditionelle Grenzen zu überwinden. „Wir müssen das Blatt wenden und anfangen, Unterhaltung umfassender zu betrachten, ohne in Silos zu denken. Was wir sehen, ist eine zunehmend vernetzte und verflochtene Unterhaltungslandschaft.“
EMMY-Gewinnerin Nika Nour zeigte die preisgekrönte interaktive Streaming-Serie SILENT HILL: Ascension, die traditionelles Geschichtenerzählen mit interaktiven Videospiel-Elementen verbindet. In einer Live-Demonstration brachte Kemal Görgülü, CTO von ARTE, zwei neue Viewing Experiences für das Apple Vision Pro mit: Gloomy Eyes und Battlescar, und betonte den Anspruch von ARTE an der Spitze der Innovation zu stehen, um herauszufinden, wie Geschichtenerzählen und Technologie harmonieren.
Die Rolle des Journalismus im Zeitalter der KI
Ein weiteres Highlight der Konferenz war der Track Journalism & MediaTech auf der Horizon Stage, präsentiert vom Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ). Die Gespräche drehten sich hier um Fragen, wie: Wird KI in naher Zukunft „echte“ Journalisten ersetzen? Ist sie eine Bedrohung für unsere Demokratie? Oder können innovative Technologien genutzt werden, um das Vertrauen wiederherzustellen?
Charlie Beckett, Professor an der London School of Economics, konstatierte in der Session Democracy under Fire: Journalism in the Era of AI: „Für mich ist die Benutzererfahrung der Inbegriff der Qualität unserer Nachrichten.“ Er thematisierte das mangelnde Vertrauen der Menschen in Journalisten, das aus seiner Sicht nie wirklich bestanden habe. Außerdem hob Beckett hervor, dass KI in der Regel keine Menschen ersetze, außer bei monotonen Aufgaben, und dass KI sicher eingesetzt werden könne, da sie nur mit den Daten arbeitet, die ihr zur Verfügung gestellt werden. Obwohl er die Machtkonzentration bei großen Technologieunternehmen problematisch sieht, betrachtet er KI nicht als Bedrohung für die Demokratie.
In der Session Restoring Trust: The Intersection of Technology, Regulation, and Ethics betonte Henrike Gudat von der Landesanstalt für Medien in NRW, dass KI den Behörden helfen kann, Verstöße im Internet zu verfolgen. Dennoch könne eine Überregulierung nicht alle Probleme lösen, wie Victoria Reichelt vom ZDF in ihrer Moderation die Panel-Diskussion zusammenfasste.
Acht Startups und ein Pitch um 10.000 Euro
An Tag zwei bekamen acht innovative Startups beim Global MediaPitch Day um Preisgeld in Höhe 10.000 Euro zu pitchen. Der Global MediaTech Pitch Day wurde auch in diesem Jahr von Raw Ventures präsentiert.
Die beiden Start-ups Vochlea und DeafTawk konnten auf der Bühne vor einer Jury aus hochkarätigen Branchenvertreter:innen überzeugen und erhalten neben dem Preisgeld die Chance auf eine potenzielle Finanzierung von bis zu einer Million Euro von Raw Ventures.
Vochlea aus UK beeindruckte mit innovativer Sprachtechnologie, die Musiker ermöglicht, Instrumente mit ihrer Stimme zu steuern und Sounds zu kreieren. DeafTawk aus Dänemark revolutioniert die Kommunikation für Gehörlose durch Echtzeit-Übersetzungsdienste.
Neben dem Award für den besten Pitch wurde auch der Audience Award verliehen. Hier hatte das Publikum die Chance, für einen Favoriten zu voten. Den Audience-Award gewannen gewonnen hat das italienische Start-up AerariumChain.
Was wichtig bleibt: Der Faktor Mensch
Die MediaTech Hub Conference 2024 hat vergegenwärtigt, dass die Zukunft der Medienbranche in der engen Verzahnung von Kreativität und Technologie liegt. Aber ob durch den Einsatz von KI, Reformen in der Filmförderung oder innovative Geschäftsmodelle – der Mensch bleibt der entscheidende Faktor. Die nächsten Jahre werden zeigen, welche der auf der Konferenz diskutierten Trends und Ideen die Branche nachhaltig prägen werden. Klar ist, dass nur diejenigen, die den Wandel aktiv gestalten, in dieser schnelllebigen Industrie bestehen werden.
Hier sorgte auch das weitere Rahmenprogramm mit kreativen Workshops, einem exklusiven Konzert des Deutschen Filmorchesters Babelsberg, eine Führung hinter die Kulissen des Filmstudios Babelsberg und das Speakers Breakfast für viele Netzwerkgelegenheiten. Der Termin für die MediaTech Hub Conference 2025 wird demnächst bekanntgegeben.
Mehr über den MTH Blog
Die Medientechnologien der Zukunft werden bereits heute angewendet – nicht nur im Entertainmentbereich sondern in den unterschiedlichsten Branchen. Für unseren MediaTech Hub Potsdam Blog sprechen wir einmal im Monat mit Tech-Enthusiast:innen, Unternehmer:innen und Forscher:innen und erzählen die Geschichten, die hinter ihren innovativen Geschäftsmodellen, Ideen, Projekten oder Kooperationen stecken.