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@ LARS HUEBNER

“TECHNOLOGISCHE INNOVATIONEN SIND SEIT DER GRÜNDUNG DES STUDIOS EIN ZENTRALER BESTANDTEIL UNSERER ARBEIT” – JÖRG BACHMAIER, VORSTANDSVORSITZENDER DER STUDIO BABELSBERG AG, IM INTERVIEW 

Auf über 20 Jahre Erfahrung in der Film- und Fernsehbranche sowie in den Bereichen Content Development und Produktion kann Jörg Bachmaier zurückblicken. Er übernahm führende Positionen in globalen Unternehmen, sowohl in Deutschland als auch danach in Los Angeles sowie London – und seit November 2024 ist er nun der Vorstandsvorsitzende der Studio Babelsberg AG. 

Was waren seine Beweggründe, nach Deutschland zurückzukehren und welche Bedeutung hat für ihn das traditionsreiche Studio Babelsberg? Welche Maßnahmen sind nötig, damit Potsdam für nationale wie internationale Film- und Serienproduktionen wieder attraktiver wird? Und wie kann sich der Standort Babelsberg in Zukunft als Technologie-Hub etablieren? Über diese und weitere Fragen haben wir mit Jörg Bachmaier gesprochen. 

MTH Potsdam: 

Nachdem Sie Anfang der Jahrtausendwende bei ZDF Studios und der Kirch-Gruppe tätig waren, sind sie anschließend nach LA und London gewechselt. Dort haben Sie Führungspositionen unter anderem bei Endemol USA, BBC Studios und Warner Bros. bekleidet. Wie kam es dazu, dass Sie nun wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind? Und haben die Filmstudios in Babelsberg eine – womöglich auch besondere – Bedeutung für Sie? 

Jörg Bachmaier: 

Das hohe Ansehen von Studio Babelsberg im Bereich Kreativität und Innovation war für mich ausschlaggebend, nach über 20 Jahren in Los Angeles und London zurück in die Heimat zu kommen. Studio Babelsberg ist ein Mythos, ein besonderer Ort, der wie kein anderer Tradition mit ständiger Weiterentwicklung verbindet und mit seinem kreativen Umfeld die idealen Voraussetzungen für herausragende Produktionen bietet. Es ist nicht nur das Herzstück der deutschen Filmgeschichte, sondern auch ein Ort, an dem die Zukunft des Films entsteht. Ich bin stolz, nun ein Teil davon zu sein und freue mich sehr, mit meiner Erfahrung und Motivation den Standort mitgestalten zu dürfen. 

MTH Potsdam: 

Potsdam-Babelsberg ist nicht nur ein traditionsreicher Film-, sondern auch ein moderner Medienstandort. Welche Rolle spielen technologische Innovationen für das Studio Babelsberg? Und welche Schwerpunkte setzen Sie dabei? 

Jörg Bachmaier: 

Technologische Innovationen sind seit der Gründung des Studios ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit. Bereits in den 1920er Jahren revolutionierte Babelsberg das Filmhandwerk mit der ‘entfesselten Kamera’, dem wegweisenden Science-Fiction-Klassiker “Metropolis” und dem ersten deutschen Tonfilm. Diese Tradition gibt uns Antrieb, daher bleiben wir neugierig und investieren kontinuierlich in neue Technologien. 

Heute setzen wir gezielt auf Virtual Production, ICVFX [Kurzform für “In-Camera Visual Effects”; bezeichnet eine Methode, bei der visuelle Effekte direkt in der Kamera am Set erfasst werden – Anmerkung d. Red.], volumetrisches Filmen und KI-gestützte Workflows in allen Produktionsphasen. Modernste Technologien und traditionelles Handwerk gehen bei uns Hand in Hand. In den Werkstätten unseres Art Departments entstehen Modelle mittels Robotik und 3D-Druck, die anschließend von Bildhauern und Malern veredelt werden. Die Integration von künstlicher Intelligenz verändert zunehmend sämtliche Produktionsabläufe – von der Planung bis zur Logistik. Dieser innovative Ansatz wird insbesondere von unseren internationalen Partnern geschätzt, die höchstes technisches Niveau erwarten. 

MTH Potsdam: 

KI wird zunehmend auch als kreatives Werkzeug verstanden. Wie bewerten Sie das Potenzial von KI, kreative Prozesse in der Filmproduktion zu unterstützen, und welche Rolle könnte Babelsberg dabei als Vorreiter für ‘Creative AI’ am Standort einnehmen? 

Jörg Bachmaier: 

Ich sehe in künstlicher Intelligenz ein enormes Potenzial als kreatives Werkzeug in der Filmproduktion – zugleich aber auch die Verantwortung, ihren Einsatz ethisch und rechtlich fundiert zu gestalten. KI eröffnet neue Formen der Kreativität, Effizienz und Zusammenarbeit, wirft aber Fragen zu Urheberrecht, Datenintegrität und künstlerischer Authentizität auf. Unser Ansatz in Babelsberg ist daher ein bewusster, hybrider: Wir verbinden reale Schauspieler, Setbau und traditionelle Produktionstechnologien mit virtuellen Welten, Motion-Capture-Technologie und KI-gestützten Tools, um maximale Glaubwürdigkeit und emotionale Tiefe zu erzeugen. Zugleich wollen wir den „native AI Filmemachern“ von morgen – also jenen Kreativen, die mit KI als natürlichem Bestandteil ihres künstlerischen Prozesses arbeiten – ein Zuhause bieten. Es ist unser Ziel, Babelsberg als führendes Innovationszentrum für kreative und verantwortungsvolle KI-Anwendungen zu etablieren und damit neue Maßstäbe für die Zukunft des Filmemachens zu setzen. 

MTH Potsdam: 

Welche Bedeutung hat die enge Zusammenarbeit mit der lokalen Medien- und Technologie-Community in Potsdam für Ihre strategische Ausrichtung? Und inwiefern tragen Kooperationen mit der lokalen MediaTech-Community und innovativen Start-ups zur technologischen und kreativen Weiterentwicklung von Studio Babelsberg bei? 

Jörg Bachmaier: 

In der Medienstadt Babelsberg arbeiten wir eng mit führenden Forschungseinrichtungen, Oscar-prämierten Teams, modernen Postproduktionsfirmen und spezialisierten Servicepartnern zusammen. Die Akteure am Standort gestalten die Film- und Streamingproduktionen also maßgeblich mit. Der stetige Wissenstransfer zwischen den internationalen Filmschaffenden und den lokalen Kreativen und Dienstleistern stärkt die Kompetenz der MediaTech-Community. 

Auch die MediaTech Hub Conference, die wir mit Freude auf unserem Studiogelände beherbergen, fördert den Austausch und die Vernetzung zwischen lokalen und internationalen Experten aus verschiedensten Bereichen. Vorträge, Panels und Workshops zu KI und neuen Technologien zeigen die Innovationskraft des Standortes. Gemeinsam mit der Community möchten wir Babelsberg als Innovationsmotor weiter vorantreiben. 

MTH Potsdam: 

Wo sehen Sie das größte Potenzial, den Standort Babelsberg weiter als Technologie-Hub und Inkubator zu stärken – um neue Talente, kreative Ideen und zukunftsweisende Produktionen anzuziehen? 

Jörg Bachmaier: 

Babelsberg soll als offenes Ökosystem agieren, das Produzenten, kreative Talente, Forschungseinrichtungen und internationale Partner zusammenbringt und so seine Position als führender Standort für die Zukunft des Filmemachens und Storytellings weiter stärkt. Wenn Forschung, Start-ups und Filmproduktion in Babelsberg noch stärker zusammenfinden, entsteht ein kreatives Ökosystem, das Innovationen nicht nur ermöglicht, sondern beschleunigt. Durch gemeinsame Projekte – etwa in den Bereichen Virtual Production, künstliche Intelligenz oder nachhaltige Studiotechnologien – schaffen wir ein Umfeld, das neue Talente und kreative Ideen anzieht und zunehmend auch für weitere Technologieakteure attraktiv wird. Unsere Vision ist es, Babelsberg zu einem weltweit führenden Technologie-Hub für Film- und Medienproduktion weiterzuentwickeln. 

MTH Potsdam: 

Zuletzt hat Deutschland als Standort für Produktionen an Attraktivität einbüßen müssen. Oftmals wurden Film-, aber auch Serienproduktionen ins umliegende Ausland verlegt, beispielsweise nach Polen, Ungarn, Spanien und so weiter. Das hatte auch Auswirkungen auf Brandenburg sowie Potsdam. Durch welche Maßnahmen könnten einerseits Deutschland, aber auch Brandenburg sowie die Filmstadt Potsdam für nationale und internationale Produktionen wieder an Attraktivität hinzugewinnen? 

Jörg Bachmaier: 

Der internationale Wettbewerb um Film- und Serienproduktionen ist intensiver denn je und wird maßgeblich über Produktionsanreize entschieden. Länder wie Polen, Ungarn oder Spanien haben in den vergangenen Jahren gezielt in ihre Filmförderung investiert und Produktionen mit attraktiven Rahmenbedingungen angezogen. Deutschland hat mit der Erhöhung der Förderung auf 30 Prozent in diesem Jahr zwar wieder etwas aufgeholt, bleibt aber stark von der verlässlichen Ausgestaltung und schnellen Umsetzung der geplanten Maßnahmen abhängig. Ohne dauerhafte Planungssicherheit werden internationale Produktionen dorthin gehen, wo die Bedingungen besser kalkulierbar sind. 

Wir arbeiten allerdings unermüdlich daran, die Produktionsbedingungen am Standort weiter zu verbessern – und so die Wettbewerbsfähigkeit Babelsbergs im internationalen Umfeld langfristig zu sichern. Studio Babelsberg investiert kontinuierlich in Infrastruktur, neue Technologien und die Ausbildung von Fachkräften. 

MTH Potsdam: 

Wenn Sie fünf Jahre vorausblicken: Wo sehen Sie das Studio Babelsberg – technologisch, kreativ und wirtschaftlich? 

Jörg Bachmaier: 

In fünf Jahren wird der Einsatz innovativer Technologien am Standort Babelsberg noch deutlicher spürbar sein. Virtual Production wird zum Produktionsstandard gehören, KI-basierte Methoden und Workflows werden fest im Alltag von Film- und Serienproduktionen verankert sein. Studio Babelsberg wird seine Position als moderner Produktionsstandort weiter ausbauen – nicht nur für Filme und Serien, sondern auch für neue Formen des audiovisuellen, kreativen Erzählens. In meiner Vision ist Studio Babelsberg Deutschlands führender Standort für Film- und Medienproduktion – von Kino über TV bis Streaming – als Teil eines Innovationshubs, der technologisch, kreativ und wirtschaftlich weltweit Maßstäbe setzt. 

MTH Potsdam: 

Herr Bachmaier, vielen Dank für das Gespräch!